Selbstmedikation bei Hauskatzen und Hunden?

Schnäppchen aus dem Internet auf eigene Faust besorgt – mit Gefahrenpotenzial

Wegen ein paar Flöhen zum Tierarzt? Oder ein paar Würmern? Muss doch nicht sein. Gibt’s doch alles billig im Internet. Über die Gefahren von Selbstmedikation machen sich Haustierbesitzer keine Gedanken. Dabei können falsch verabreichte Präparate sogar tödliche Folgen haben.

Den Impuls für diesen Artikel gab ein Facebook-Beitrag des Tierarztes Sebastian Goßmann-Jonigkeit aus Engelskirchen. Er berichtete von Fällen, wo in Hunde- oder Katzenforen nach Tipps zu medikamentösen Behandlungen von Vierbeinern gefragt wurde – und natürlich auch nach vermeintlich preiswerten Alternativen zu den verordneten Medikamenten von Tierärzten. Diese Schnäppchen gibt’s dann auch problemlos zu kaufen. Ohne ärztliche Diagnose, ohne professionelle Dosierungsanweisung, ohne Rezept.
Eigentlich sollte man ja denken, dass im wohlorganisierten deutschen Markt für Arzneimittel wenigstens die Apothekenpflicht für bestimmte Arzneimittel noch Bestand hat.
Wir haben das Thema einfach einmal kurz nachgeprüft. Bei Deutschlands größtem Online- Buch- und Gemischtwarenhändler, Amazon, stehen auch Präparate für Haustiere im virtuellen Regal. Und während Tierärzte sich stetigen Kontrollen der Veterinärbehörden unterziehen müssen, um ihre Apotheken führen zu dürfen, darf der Versandriese und die darin integrierten Shop-Anbieter verkaufen, was das Zeug hält.
Wurmkur aus dem Internet? Kein Problem. 
Der Test ist einfach: Wir haben nach dem Stichwort „Wurmkur Katze“ gesucht und sind sofort fündig geworden. 
Das erste angezeigte Ergebnis der Suche: 
Advantage 80 Fuer Katzen Einzeldosispipetten X4
von Bayer Animals
Verkauft wird das Mittel von einem Shop namens „La Compagnie Des Animaux“. Eine kurze Recherche bei Google ergibt: Dieses Unternehmen hat seinen Sitz in Frankreich, 80 Avenue du Général de Gaulle, 91170 Viry-Châtillon.
Es ist kein Problem, das Produkt in den Einkaufswagen zu legen – und es am nächsten Tag per Post im Briefkasten zu haben.
Der geneigte Leser fragt sich: Wo ist denn das Problem?
Wir haben daher weiter recherchiert – auf der Webseite des Herstellers des Medikaments, in diesem Fall Bayer. 
Das Unternehmen stellt umfangreiche Informationen für Haustierhalter zur Verfügung, die sich auch um die verschiedenen Formen von Wurmbefall bei Hunden, Katzen und anderen Haustieren drehen. Dabei wird schnell klar: Es ist zunächst einmal wichtig zu wissen, welche Würmer es zu bekämpfen gilt. Hat die Hauskatze Bandwürmer oder Rundwürmer? Und wie kann ich das feststellen? 
An diesem Punkt hört der Spaß der Selbstmedikation bereits auf. Denn der Laie kann eben keine Diagnose stellen – und sollte die Untersuchung einer Kotprobe besser dem Tierarzt überlassen, der dann auch das passende Medikament verschreibt. 
Nächster Punkt: Im Beipackzettel des Medikaments ist vermerkt, dass das Präparat zwar nicht der Verschreibungspflicht unterliegt, jedoch (in Deutschland) apothekenpflichtig ist. Ob also ein Verkauf durch einen ausländischen Shop in Deutschland erlaubt ist, bleibt fraglich. Wer allein auf die abgebildete Packung zoomt, erkennt sofort, dass es sich um eine französische Verpackung handelt. Wahrscheinlich incl. französischem Beipackzettel.
Ebenso interessant und vielsagend: Bayer wünscht via Kontaktformular keine Informationen über „Graumarktware“ oder „zulassungsüberschreitende Anwendung“ des Medikaments. Über diese Unternehmensaussage kann sich jeder Leser seine eigene Meinung bilden.
So weit, so gut. Der Selbstmedikation ist, zumindest in einigen Bereichen, Tür und Tor geöffnet. Man kann ein Produkt, das angeblich in Deutschland – laut Herstellerangabe – apothekenpflichtig ist, in einem Online-Shop, der die entsprechende Markt-Macht hat, einkaufen – ohne jegliches Fachwissen, ohne Diagnose, ohne Hinweise für die Verabreichung des Medikaments. Niemand weist auf die Gefahren des Medikaments hin, auf Risiken oder Nebenwirkungen, geschweige denn, was im Fall von Nebenwirkungen zu unternehmen ist. Die Folgen solcher Selbstmedikations-Versuche tragen – unsere Tiere. Und die Tierärzte, die im Zweifelsfall die Kohlen wieder aus dem Feuer holen müssen, wenn ein falsch eingesetztes Medikament für gravierende Gesundheitsprobleme beim Haustier sorgt.
In der nächsten Folge unserer Serie „Selbstmedikation bei Haustieren – Gefahrenquelle für die Tiergesundheit“ lesen Sie: 
• Warum Tierärzte und Tierkliniken eigene Apotheken unterhalten 
• Die häufigsten Fehler in der Selbstmedikation
• Wie gefährlich kann Selbstmedikation bei Haustieren werden?